Die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft des Leo-Baeck-Instituts (WAG) ist eine 1989 gegründete Vereinigung deutscher Historikerinnen und Historiker, die sich die Förderung der Erforschung und Darstellung der deutsch-jüdischen Geschichte zum Ziel gesetzt hat.
Sie ist eine Einrichtung des Internationalen Leo-Baeck-Instituts (LBI), das – mit seinen Arbeitszentren in Jerusalem, London und New York – 1955 von führenden Repräsentanten der aus Deutschland vertriebenen Juden als wissenschaftliche Einrichtung gegründet worden war. So lag auch die Gründungsinitiative der WAG beim Leo-Baeck-Institut, das sich entschloss, seine Arbeit in Deutschland zu intensivieren. Nach der Konstituierung der WAG entschied diese selbstständig über Inhalte und Organisation ihrer Arbeit, wie auch über die Aufnahme weiterer Mitglieder.
Die Zielsetzung der WAG besteht insbesondere in der Errichtung eines organisatorischen Rahmens zur wissenschaftlichen Erforschung und Darstellung der deutsch-jüdischen Geschichte, entsprechend den Richtlinien des LBI. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung im Herbst 1989 stellte die Geschichte der deutschen Juden vom Mittelalter bis zur Gegenwart an den meisten deutschen Universitäten noch immer ein Stiefkind sowohl in der Forschung als auch in der Lehre dar. Aus verständlichen Gründen stand die Beschäftigung mit dem Holocaust als entsetzlichem Höhepunkt des Nationalsozialismus insgesamt im Vordergrund wohingegen andere Perspektiven weitgehend fehlten. Darüber hinaus wurden Juden überwiegend als Opfer des Antisemitismus, also als ‚passiv‘ und nicht als eigenständig Handelnde wahrgenommen.
Im Zentrum der Tätigkeit der WAG steht insbesondere die Geschichte vom Beginn der Emanzipation bis 1933, ohne dass die ältere Geschichte der Juden in Deutschland oder die Geschichte nach 1933 (und 1945) ausgeschlossen bleibt. Von Beginn an war eine der zentralen Aufgaben, Fragestellungen und Erkenntnisse der deutsch-jüdischen Geschichte mit anderen Forschungsentwicklungen und -schwerpunkten zu verzahnen. Darüber hinaus gilt es die Forschungsergebnisse aus dem Bereich der jüdischen Geschichte an ein breites Publikum zu vermitteln. Dafür steht auch die enge Zusammenarbeit mit bestehenden wissenschaftlichen Institutionen und mit Einrichtungen der historisch-politischen Bildung. Neben wissenschaftlichen Tagungen und öffentlichkeitsorientierten Veranstaltungen werden diese Ziele auch über umfassende Gesamtdarstellungen zur deutsch-jüdischen Geschichte verfolgt.
Eine weitere Säule der Aktivitäten der WAG war in den 1990er Jahren die Erfassung von Archivinventaren zur Geschichte der Juden in Deutschland. So wurden nach 1990 die Bestände der Archive in den Neuen Bundesländern – im Anschluss daran die Bestände ehemals deutscher Archive in Polen – über mehrere Jahre gesichtet, wobei seit 1992 in 304 von insgesamt 616 erfassten Archiven bedeutende Aktenbestände aufgearbeitet und im Rahmen umfangreicher, kommentierter Inventare für die Forschung zugänglich gemacht wurden.
Ein ganz besonderer Schwerpunkt der Tätigkeit der WAG liegt auf der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dies geschieht insbesondere durch die Vorbereitung und Durchführung von Doktorandenseminaren und Kolloquien, die seit 1991 mindestens einmal jährlich stattfinden. Ferner werden und wurden zahlreiche Fachtagungen, Workshops sowie Arbeitsgespräche zur deutsch-jüdischen Geschichte organisiert sowie wissenschaftliche Konferenzen durchgeführt, um die Kommunikation unter den HistorikerInnen, die zur deutsch-jüdischen Geschichte arbeiten, zu verbessern, zugleich aber auch die Verbindungen über diesen engeren Forschungsbereich hinaus zu stärken.