Unser langjähriges Mitglied, Prof. Dr. Trude Maurer, ist Anfang April im Alter von nur 61 Jahren plötzlich verstorben. Wie die meisten von Ihnen wissen werden, war Trude Maurer seit Beginn der 1990er Jahre Mitglied der WAG und arbeitete zwischen 1994 und 2006 auch im Vorstand mit.
Ihr Interesse für die jüdische Geschichte entwickelte sie schon einige Zeit vor dem „Boom“ der 1990er Jahre, so dass sie gewissermaßen einer „Zwischengeneration“ in der WAG angehörte. Ich erinnere mich, wie Trude Maurer, zusammen mit Reinhard Rürup, bei einem der ersten Doktorandencolloquien in Bad Homburg unsere Dissertationsprojekte kommentierte. Ihre eigene, 1986 erschienene Arbeit zur Geschichte der „Ostjuden“ in der Weimarer Republik, die mit dem Fritz-Theodor Epstein-Preis des Verbandes der Osteuropahistoriker ausgezeichnet wurde, hatten wir, nicht zuletzt aufgrund des eindrucksvollen Umfangs, mit Ehrfurcht zur Kenntnis genommen. Auch wenn sich Trude Maurer in den nächsten Jahren der osteuropäischen, vor allem der russischen Geschichte zuwandte, blieb sie doch der deutschjüdischen Geschichte immer eng verbunden. So verfasste sie während der Vorarbeiten zu ihrer Habilitationsschrift über Hochschullehrer im Zarenreich, die 1998 erschien, einen vielbeachteten Literaturbericht zur deutsch-jüdischen Geschichte, der den Forschungsstand bis zum Jahre 1992 umfassend und pointiert deutend zusammenfasste. Für das Leo Baeck Institut arbeitete Trude Maurer in den folgenden Jahren mit an der von Marion Kaplan herausgegebenen „Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland“, für die sie das Teilkapitel für die Jahre zwischen 1918 und 1945 verfasste. Dies war der äußerst ambitionierte und sehr beeindruckende Versuch, die Jahre der Demokratie und der NS-Diktatur konsequent als die Einheit zu schildern, als die sie sich für die damals Lebenden ja auch darstellten. Ihr folgendes, drittes bzw. viertes Opus Magnum, eine zweibändige Geschichte der deutschen Universität im Ersten Weltkrieg, die 2015 erschienen ist, verbindet im Fokus auf die In- und Exklusionsmechanismen der Volksgemeinschaft ihre beiden Forschungsinteressen, die deutsch-jüdische und die Bildungsgeschichte. Dies gilt auch für das für ihre Verhältnisse eher schmale Bändchen, das sich im Kontext ihres letzten, von der DFG geförderten Projektes zu transkulturellen Aspekten des Frauenstudiums mit dem Vergleich zwischen deutschen und russisch-jüdischen Zugängen zur universitären Bildung beschäftigt.
Letzteres entstand in ihrer Zeit als Gastprofessorin in Graz, eine von zahlreichen Stationen, in denen Trude Maurer, apl. Professorin der Universität Göttingen und Research Fellow am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg, als Vertretungs- oder Gastprofessorin wirkte. Denn Zeit ihres Lebens blieb Trude Maurer eine ordentliche Professur verwehrt: für die Osteuropa-Lehrstühle waren ihre Forschungen zu „jüdisch“, für die in den 1990er Jahren gegründeten Zentren und Professuren zur deutsch-jüdischen Geschichte zu „osteuropäisch“. Dieses „Zwischen-die-Stühle“-Fallen ist, wie wir wissen, kein Einzelfall, sondern ein immer noch nicht gelöstes Karriere-Hemmnis für all jene von uns, die sich für jüdische und für die so genannte „allgemeine Geschichte“ gleichermaßen qualifizieren möchten. Ich möchte anregen, dass die WAG den viel zu frühen Tod ihres langjährigen, engagierten Mitglieds Trude Maurer zum Anlass nimmt, genau darüber, über mögliche Auswege aus dieser Falle, einmal gemeinsam nachzudenken.
Über Ort und Zeitpunkt der Trauerfeier werde ich Sie rechtzeitig informieren.
Stefanie Schüler-Springorum
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