Reinhard Rürup | 10. 12. 2014
Als das Leo Baeck Institute 1955 in Jerusalem gegründet wurde, ging es den Gründern darum, das historische Erbe der aus Deutschland vertriebenen und ermordeten Juden im „geistigen Besitz“ des jüdischen Volkes in seiner Gesamtheit zu bewahren, weil sich in Deutschland „in besonderer und einmaliger Weise der Eintritt der Juden in die europäische Welt vollzog“ und ohne die spezifischen Leistungen der deutschen Juden „das Judentum in seiner modernen Gestalt weder im Staate Israel noch in der Diaspora möglich wäre“. An ein nichtjüdisches deutsches Publikum war dabei aus naheliegenden Gründen nicht gedacht. Die Voraussetzung dafür, daß das Leo Baeck Institut dennoch schon zehn Jahre später auch in Deutschland aktiv wurde, bestand in einem wachsenden Vertrauen in die demokratische Substanz und Stabilität der Bundesrepublik. Daß ein erheblicher Teil der Forschungsergebnisse in deutschen Verlagen publiziert wurde, hatte seinen Grund allerdings auch darin, daß Deutsch nicht nur die Sprache der Quellen, sondern auch die Muttersprache der Autoren war. Die Arbeit des Instituts fand schon bald die Aufmerksamkeit und Anerkennung der bundesrepublikanischen Medien und der Politik. Hinzu kam, daß sich allmählich auch auf der Fachebene in Deutschland Kolleginnen und Kollegen fanden, mit denen das Leo Baeck Institut bereit war, gemeinsam zu arbeiten. Von den achtziger Jahren an gab es dann sogar Diskussionen darüber, ob es nicht sinnvoll und geboten sei, neben den Arbeitszentren in Jerusalem, London und New York ein viertes Leo Baeck Institut in der Bundesrepublik zu errichten. Daraus ist bis heute nichts geworden, und so suchte man andere Wege, um in der Bundesrepublik künftig stärker als bisher vertreten zu sein. Continue reading →